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Krimiserie „Tatort“: Am Sonntag wird gemordet

Die einen tun es am liebsten zu Hause auf dem Sofa, die anderen in der Kneipe, wieder andere veranstalten regelrechte Happenings. Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit: Der „Tatort“ am Sonntag um 20:15 Uhr in der ARD
ist für Krimifans zur festen Einrichtung geworden, seit Walter Richter
1970 als erster Tatort-Kommissar Paul Trimmel mit dem „Taxi nach
Leipzig“ (so der Titel der ersten Folge) fuhr.
Im Gegensatz zu vielen amerikanischen Krimiserien, in denen im
Minutentakt geschossen wird, die jeweiligen Ermittler stets im
Laufschritt unterwegs sind und dabei unentwegt in ihr
Handy sprechen, geht es im deutschen Fernsehen deutlich ruhiger zu,
aber keinesfalls weniger spannend. Die Tatort-Produzenten orientieren
sich seit Beginn der Sendung offensichtlich eher am Krimimodell von
englischen Erfolgsautoren wie Agatha Christie, das einen überschaubaren
Kreis von Verdächtigen, einen einzelnen Täter und viel Lokalkolorit
vorgibt. Inzwischen gibt es allerdings auch im „Tatort“ am Sonntag mehr
Action, beispielsweise beim neuen Hamburger Ermittler Nick Tschiller,
der seit März 2013 von dem erfolgreichen deutschen Schauspieler Til
Schweiger gespielt wird.
Feste Regeln beim „Tatort“ am Sonntag
Beim „Tatort“ steht in der Regel ein Ermittler-Team im Vordergrund,
das in einer bestimmten Stadt oder Region auf Verbrecherjagd geht.
Einige der Tatort-Kommissare haben neben der Krimihandlung auch mit
privaten Problemen zu kämpfen, manche sind skurrile Charaktere oder zeichnen sich durch eine bestimmte Macke
aus. Die Ermittler-Teams haben wegen der langjährigen Zusammenarbeit
oft eine besondere Beziehung zueinander, doch das muss nicht immer
freundschaftlich sein. So besteht das Tatort-Duo aus Münster mit
Hauptkommissar Frank Thiel und dem Rechtsmediziner Professor
Karl-Friedrich Boerne aus zwei Charakteren, die unterschiedlicher nicht
sein könnten. Deshalb kommt es ständig zu nicht ganz ernst gemeinten
Streitereien – durch diesen besonderen Humor ist der Münsteraner
„Tatort“ bei den Fernsehzuschauern sehr beliebt.
Eine Folge „Tatort“ am Sonntag dauert exakt 88 Minuten, das erste
Opfer muss meist nach fünf Minuten sterben, mehr als drei Tote gibt es
selten. Die erzählten Geschichten sind aktuell und realitätsnah, die
Täter und deren Opfer kommen meist aus der unteren bis oberen
Mittelschicht. Hierin liegt auch der große Unterschied zur ebenfalls im
Ausland sehr beliebten deutschen Krimiserie „Derrick“:
Als Oberinspektor Stephan Derrick ermittelte der Schauspieler Horst
Tappert von 1973 bis 1998 nahezu ausschließlich in den Villen der
Vororte Münchens und bewies den „oberen Zehntausend“ in einer knappen Stunde Sendezeit, dass sich Verbrechen einfach nicht lohnt.
Die deutsche Mentalität, sich dem Täter eher leise und unauffällig zu
nähern, kommt vor allem im asiatischen Raum gut an, doch auch in
Italien, Frankreich, Brasilien und Afrika gibt es eingefleischte
Tatort-Fans. Ihren Beitrag für die große Beliebtheit der Krimiserie im
Ausland leisten auch die Goethe-Institute in den verschiedenen Ländern:
Sie veranstalten regelmäßig Tatort-Abende. Hier darf öffentlich
mitgerätselt werden, wer denn nun der Täter ist – und warum.
Ausnahmen bestätigen die Regel: Sonderfälle beim „Tatort“
Natürlich gibt es auch immer wieder Ausnahmen von den goldenen
Regeln. Die Schauspielerin Maria Furtwängler ermittelt beispielsweise
als Kriminalhauptkommissarin Charlotte Lindholm nicht im Team, sondern
bringt die Verbrecher im norddeutschen Bundesland Niedersachsen alleine
zur Strecke. Auch der bekannteste Tatort-Kommissar Horst Schimanski
alias Götz George ist als gesondertes Phänomen zu betrachten: Bei den
Zuschauern war Schimanski als etwas derber Kommissar mit harter Schale und weichem Kern so beliebt, dass er es bis auf die Kinoleinwand schaffte – und das sogar zweimal.
Hin und wieder kam es auch vor, dass das Thema der jeweiligen Tatort-Folge so brisant war, dass sich die Produzenten die Finger daran verbrannten.
Insgesamt sechs der so genannten „Giftschrank“-Folgen gibt es, die nur
ein einziges Mal ausgestrahlt wurden. Denn sie provozierten einen
öffentlichen Sturm der Entrüstung und teilweise sogar anonyme
Drohungen. Ein Beispiel dafür ist der Tatort „Wem Ehre gebührt“ von
2007, bei dem sich ein angeblicher Suizid einer jungen Deutschtürkin mit
alevitischem Glauben als Mord herausstellt – begangen vom Vater an
seiner Tochter. Die alevitische Glaubensgemeinschaft in Deutschland sah
sich verunglimpft und prangerte die Macher des „Tatorts“ öffentlich an – mit Erfolg.
Tatort-Kommissare: Wer ermittelt wo?
Alle Zahlen, Daten und Fakten zur Krimiserie „Tatort“ am Sonntag
finden sich auf der Webseite der ARD. So feierte der „Tatort“ mit der
Ausstrahlung der 781. Folge „Wie einst Lilly“ am 28. November 2010 sein
40-jähriges Jubiläum. Die meisten, nämlich über 60 Fälle, haben die
Münchener Tatort-Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr (alias Miroslav
Nemec und Udo Wachtveitl) aufgeklärt. Auf Platz 2 folgt das Tatort-Team
aus Ludwigshafen und auf Platz 3 der Kölner Tatort.
Auf einer Deutschlandkarte zum Thema „Wer ermittelt wo?“ kann man die Tatort-Kommissare im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe nehmen. Ein Blick auf die Übersicht aller aktuellen Tatort-Kommissare
zeigt, dass derzeit 21 Teams im Einsatz sind (Stand April 2013), unter
anderem in Berlin, Dortmund, Erfurt, Kiel, Leipzig, Münster, Stuttgart
und Wiesbaden. Außerdem kommt der „Tatort“ am Sonntag auch ab und zu aus
Österreich (Chefinspektor Moritz Eisner ermittelt in Wien und Umgebung)
oder der Schweiz (Kommissar Reto Flückiger leitet die Abteilung „Leib
und Leben“ in Luzern).
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